Sonntag, 5. Oktober 2014

Altes Dampfbad (2)



Maderthaner-Ausstellung im "Alten Dampfbad"

Juwel im Verborgenen




Es blutet mir immer wieder das Herz, wenn ich oben auf unserem schönen, totenstillen Marktplatz stehe und mich umsehe. Versprengte Touristen kommen durch die mittelalterlichen, viel zu ruhigen Gässchen von der Fußgängerzone hinaufgeklettert, bleiben stehen, sehen sich ratlos in der Leere um. Manche besichtigen dann die Stiftskirche, fotografieren die Vasen auf Stelzen beim Alten Dampfbad und drehen mit irgendwie unbefriedigter Miene wieder ab.

Als vor zwei Wochen die Staatliche Kunsthalle das Balkanfestival auf dem Marktplatz feierte, sah es zwar besser aus.





Aber nun versinkt wieder alles im Dornröschenschlaf. Was besonders schade ist, weil kaum jemand von unserem schönen Kleinod, dem Alten Dampfbad, Notiz nimmt. Oder vielmehr von der wunderbaren Ausstellung "Out of the Flat", die man dort noch bis 9. November besichtigen kann.




Wüsste ich als kunstinteressierte Baden-Badenerin nicht, dass hier zurzeit die Wiener Künstlerin Franziska Maderthaner ausstellt - ich würde den Eingang auch nicht bemerken. Hier würde ich mir eine größere Hinweistafel vorne am Platz in der Nähe der Schlossstraße wünschen und vielleicht sogar ein Plakat, das man an der Stirnseite des Gebäudes aufhängen könnte, um auf die Ausstellung aufmerksam zu machen.

Erst in dieser Woche habe ich wieder ein Touristenpaar angesprochen und auf die Ausstellung aufmerksam gemacht, und trotzdem trauten sie sich nicht hinein. Dabei ist der Besuch kostenlos. Auch das könnte man großflächiger mitteilen, finde ich.

Nun denn - dann nehme ich Sie jetzt einfach mit hinein ins Dampfbad. Bitte als erstes die Jacken ausziehen! Hier ist es nämlich ganz schön warm. Auf natürliche Weise, dank der Thermalquellen, auf denen das Dampfbad steht. Ja, das Thermalwasser! - Eine andere Geschichte (zum Weiterlesen, warum die Thermalbrunnen zurzeit abgestellt sind, bitte hier klicken => KLICK). Jedenfalls sprudelt es auch hier - N I C H T !



Aber wir sind ja nicht wegen des Wassers hier, sondern wegen der Kunst. Im Erdgeschoss - gespenstige Leere. Wer nur mal eben so den Kopf zur Eingangstür hereinstreckt, zieht ihn garantiert wieder zurück. Warum ist es hier unten so leer? Spontag wünscht man sich ein Café herbei - mit Außenbestuhlung vielleicht? Ich wüsste sogar schon eine Wirtin dafür, sie hat eine kleine Kneipe ganz in der Nähe in der Schosstraße und bangt gerade um ihre Existenz, weil man das Haus anders nutzen will. - Ach, man darf ja wohl mal träumen dürfen.

Aber sehen wir den Realitäten in die Augen: Manchmal gibt es im leer stehenden Erdgeschoss, das man von der Stadt günstig anmieten kann, kleine Hobby-Kunst-Ausstellungen - nur vertragen die sich nicht besonders mit den Ansprüchen der Damen und Herren der Gesellschaft der Freunde junger Kunst eine Etage drüber. Noch so ein Thema ... Lesen Sie dazu weiter auf Wikipedia => KLICK und bei bad-bad.de => KLICK und auf meinem Blog => KLICK

Gehen wir also lieber hinauf in den ersten Stock. Und nun halten Sie sich bitte fest: Eine solche Ausstellung gibt es auch in diesen Mauern nicht alle Tage. Die farbenprächtigen Werke von Franziska Maderthaner nehmen einen auf den ersten Blick gefangen!









Verweilen wir bei diesem Bild hier!

Sehen Sie es? Diese zwei Stile, die hier benutzt werden? Die Künstlerin ist eine Meisterin der so genannten "Schüttung"; sie schüttet Farbe auf die Leinwand, dreht und wendet sie, lässt sie ineinander fließen. Dann stoppt sie den Prozess, fotografiert das unfertige Werk, speist es in den Computer ein und wählt nun reale existierende Kunstwerke aus, um sie mit ihren Farbschüttungen zu kombinieren. Das Ergebnis - wie hier - setzt sie dann akribisch um.

Sehen Sie dazu auch einen Beitrag aus der Mediathek des SWR: => KLICK

Ebenfalls passend aus der SWR-Mediathek: Drei Fragen an Franziska Maderthaner: => KLICK


Der Kurator


Wenn der Betrachter um diese Arbeitsweise weiß, erschließen sich ihm Bild und Kunst viel besser. Ich gebe zu, ohne Einführung durch einen Fachmann, in diesem Fall war es der Kurator der Ausstellung, Burkhard Freyberg, hätte ich die Werke nicht verstanden. Oder ich hätte mühsam in den Katalogen und Büchern über die Künstlerin blättern müssen.






Burkhard Freyberg kann mit Recht stolz darauf sein, diese Künstlerin nach Baden-Baden geholt zu haben. Die Ausstellung ist ein Riesenerfolg, mehrere Werke tragen bereits den berühmten, begehrten roten "verkauft!"-Punkt, beziehungsweise haben eine Kaufoption.

Wie ist er auf Franziska Maderthaner aufmerksam geworden?

Der 64jährige, der selber Kunstgeschichte studiert hat, hat sie auf einem Rundgang über die Art Karlsruhe entdeckt. Eine Berliner Galerie präsentierte ihre Werke, und Freyberg, der als Vorstandsmitglied der Gesellschaft der Freunde junger Kunst in den letzten fünf Jahren bereits drei Ausstellungen im Alten Dampfbad organisiert hatte, sprangen die großformatigen farbenprächtigen Bilder sofort ins Auge. "Diese Art von Bildern gab es in Baden-Baden noch nicht zu sehen." Wie Maderthaner Schüttung und geplante, fotorealistische Malerei miteinander verknüpft, sei einzigartig und unvergleichbar. "So etwas hat noch niemand vor ihr gemacht", schwärmt er, ist sich aber auch sicher, dass es schon bald Nachahmer geben wird.

Für ihn jedenfalls stand ganz schnell fest, dass er die Wienerin nach Baden-Baden holen wollte. Er stöberte die Künstlerin via Homepage auf, und da sie Baden-Baden aus einer Filmproduktion mit dem Sender "Arte" bereits kannte, willigte sie gerne ein, sich die Räumlichkeiten im Alten Dampfbad anzusehen, zumal sie ohnehin zufällig in der Gegend unterwegs war. Das Gebäude gefiel ihr sofort, sie war begeistert von den abwechslungsreichen Räumen, die für die Präsentation ihrer Gemälde geradezu perfekt sind.




Freyberg fuhr daraufhin zu einem persönlichen Atelierbesuch nach Wien, diskutierte mit der Künstlerin, wo man am besten welche Bilder hängt, kümmerte sich um die Organisation des Transports und um die Versicherung der Bilder, lud kaufinteressierte Kunstfreunde zu einer Preview ein und konnte binnen kurzer Zeit acht Kaufoptionen verbuchen. "Das ist sehr viel für so eine Ausstellung", freut er sich, zumal der Kunsthandel in Deutschland im Augenblick schwere Zeiten durchmacht.

Hat der Kurator Wünsche?

Ja, mehrere: Zum einen wünscht er Franziska Maderthaner weitere Ausstellungen in Deutschland, möglichst in größeren Städten. Zum anderen wünscht er seiner Gesellschaft der Freunde junger Kunst einen größeren Bekanntheitsgrad. "Die Plakatierung könnte besser sein", gibt er freimütig zu, aber das koste eben auch viel Geld. Die Beiträge der fast 600 Mitglieder - viele davon sind Künstler mit Sonderstatus - reicht gerade so aus, um den Betrieb des Alten Dampfbades aufrechtzuerhalten.


Der gute Geist



Wer sich an einem normalen Wochentag in das stille alte Dampfbad verirrt und zögernd die Treppe hinaufstolpert, der wird unweigerlich die Bekanntschaft mit Andrea Kessler machen, dem resoluten guten Geist der Gesellschaft der Freunde junger Kunst. Seit 18 Jahre ist sie nun schon Sekretärin der Gesellschaft und arbeitet ihr Pensum während der normalen Öffnungszeiten ab, wobei sie unablässig einen Blick auf die Kunstwerke und die Besucher hat.




Ich erwische sie am Tag nach dem Urlaub, auf dem Schreibtisch türmt sich die Arbeit. Ein Plaudertäschchen ist sie daher heute nicht gerade, es war ein hartes Stück Arbeit, ihr ein paar Stationen aus ihrem kunderbunten 71jähriges Leben zu entlocken.

Fühlt man sich nicht etwas mulmig, wenn man im Winter in diesem einsamen Gebäude auf dem einsamen Marktplatz am Schreibtisch sitzt, wenn man hört, wie jemand unten im Erdgeschoss die Tür öffnet, wenn schwere Schritte langsam die Treppe hochkommen? Sie lacht. Zum Glück wohnt in der oberen Etage jemand, Angst braucht sie also nicht zu haben.

Und wie vertreibt sie sich die endlose Zeit an besucherarmen Tagen? Ein Blick auf den vollgepackten Schreibtisch belehrt mich, dass ich die falsche Frage gestellt habe. "Was ich tue?", fragt sie verwundert zurück. Spätestens bei der Aufzählung von "Buchhaltung, Mitgliederkartei, Protokolle schreiben, Ausstellungen vorbereiten, Abrechnungen, Mitgliedsbeiträge kontrollieren ..." wird mir klar, dass die Aufsicht über die Ausstellungen nur ein kleiner Teil ihrer Tätigkeit ist.

Wie kommt man zu so einem Job? "Ich war immer Sekretärin", wiegelt sie bescheiden ab, aber dann verrät sie mir doch, dass sie als junges Mädchen tatsächlich einmal kurz davor stand, in New York eine Kunstgalerie zu leiten. "Das war eine Idee meiner Cousine, sie hatte das vermittelt und schon alles organisiert." Zur Eingewöhnung in die Sprache ging dem avisierten Job allerdings ein Aufenthalt in einer "upper-class-Familie" in einem vornehmen New Yorker Vorort voraus. Ein Schuss in den Ofen: Schon nach einem halben Jahr hatte Andrea Kessler die Nase voll von der Mentalität ihrer Gastgeber und ihrer künftigen Heimat. "Heute denke ich, ich war mit 23 Jahren einfach zu jung dafür. Das war nichts für mich." Außerdem war da noch der Freund, den sie in Deutschland zurückgelasen hatte und der bald täglich schrieb und sie zurückhaben wollte. Heimweh kam dazu, und so packte die junge Frau bald wieder die Koffer. "Ich hatte sowieso ein Rückflugticket. Ohne wäre ich nicht gefahren."

Und dann? Sie lacht. "Bin ich sofort schwanger geworden und habe geheiratet." Doch lange blieb sie nicht daheim am Herd, schnell kehrte sie wieder in den  Beruf zurück. Und es gab nur einen Weg für sie: nach oben. Schallplattenfabrik, Architekturbüro, Anwaltskanzlei, Modebranche (Jil Sander) und dann ... die große Liebe, die sie Mitte der 80er Jahre nach Baden-Baden führte, und hier schloss sich der Kreis für die verhinderte Galeristin: 1996 holte eine Freundin sie zur Gesellschaft der Freunde junger Kunst ins Alte Dampfbad.

Ein Traumjob. "Kunst hat mich schon immer interessiert. Ich habe ein Faible für Künstler." Also genau das Richtige für sie. Sechs Ausstellungen gibt es hier im Jahr, "mal 18 Jahre - da kommt was zusammen", schmunzelt sie und wedelt begeistert mit den Händen. "Sehen Sie nur, was ich für eine tolle Arbeitsumgebung habe. Ständig neue Bilder." Manche Werke kauft sie sich selbst, manche Künstler schenken ihr auch ein Werk. Anekdoten sind ihr leider nicht zu entlocken, auch nicht ohne Namensnennung. Dazu ist sie Künstlern und Gesellschaft viel zu treu ergeben.

Und die Gesellschaft hat es ihr auf ganz besondere Weise gedankt: "Als mein Mann vor eineinhalb Jahren starb, da hat der erste Vorsitzende, Karl Manfred Rennertz, mir das Kreuz für das Grab gestaltet." Mit feuchten Augen wendet sie sich ab und beendet das Gespräch: "Und jetzt muss ich endlich mal was arbeiten."




Und so mache auch ich mich mit einem letzten Blick auf die farbenprächtige Ausstellung auf den Heimweg - und wünsche der Gesellschaft und der Künstlerin, dass noch möglichst viele Besucher - alt und jung - in diese außergewöhnliche Ausstellung finden mögen.






Hier ein Video von Baden-Baden-TV über den Vorsitzenden der Gesellschaft der Freunde junger Kunst, Professor Rennertz, und seine Sommerakademie in Baden-Baden:






Öffnungszeiten der Ausstellung: 

noch bis 9. November 2014
Dienstag bis Freitag   15 - 18 Uhr
Samstag und Sonntag  11 - 17 Uhr

Hier geht es zur Homepage der Gesellschaft der Freunde junger Kunst => KLICK