Donnerstag, 25. Dezember 2014

Der Tafelladen





Menschen in Baden-Baden, heute:

Lorenz Hettel und "sein" Tafelladen



Hatte ich die letzten beiden Sonntage über das Ehepaar Wick-Ruhs und ihr Engagement für die Bedürftigen in Baden-Baden und für den Tafelladen geschrieben, so möchte ich Sie heute, am ersten Weihnachtsfeiertag, vor Ort mitnehmen:

Ortswechsel. 9 Uhr morgens. Ich stehe am Tafelladen hinter dem Caritas-Gasthaus Cäcilienberg in Lichtental. Hektische Betriebsamkeit. Der Transporter mit den Lebensmittelspenden wird gerade ausgeladen. Auf der Terrasse vor dem Laden steht eine Steige mit Kopfsalat. Mitleidig betrachte ich die zum Teil welken Blätter.





Da stürzt auch schon Geschäftsführer Lorenz Hettel auf mich zu, sieht meinen Blick und wedelt abwehrend mit den Händen. "Die Kisten kommen weg, die sind unzumutbar. Unsere Kunden bekommen nur einwandfreie Lebensmittel." Nur ein Drittel der angelieferten Ware landet später wirklich im Verkauf.

Erwartungsvoll folge ich ihm. "So sieht das heute Nachmittag aber nicht aus", ruft Hettel mir noch zu, während ich über Kisten steige und einem kräftigen Mann ausweiche, der fröhlich einen Sack Orangen geschultert hat. Auch eine Palette Cornflakes muss umrundet werden. Diese Ware kommt übrigens nicht aus dem Supermarkt, sondern wird in der Fabrik extra für Tafelläden hergestellt.





In einer Art Küche stehen die ehrenamtlichen Helferinnen eng an eng und sortieren Obst und Gemüse aus. Nur das Beste kommt in den Verkauf, große Gebinde werden portioniert. Überall Gelächter, freundliche Gesichter, gute Laune. Scherzworte fliegen hin und her.

Früher war Hettel im ehemaligen Kaufhaus-Verbund "Schneider" Chef von vier Lebensmittelabteilungen gewesen, heute kann er sich keine schönere Tätigkeit als diese hier vorstellen. "Für mich ist es ein Traum, so was machen zu dürfen", sagt er mit Blick auf das Betriebsklima. "Wenn mal jemand krankheitsbedingt fehlt, dann kommt eben die Ehefrau und packt mit an." Und aus den Reaktionen der Helfer lässt sich leicht schließen, dass auch die Freiwilligen mit ihrem Chef mehr als zufrieden sind. Eine eingeschworene, fröhliche Gemeinschaft.

Besonders freut Hettel sich übrigens, dass inzwischen sieben Schulen den Tafelladen regelmäßig unterstützen und neuerdings auch die Eltern aus zwei Kindergärten Lebensmittel gesammelt haben. Ganz abgesehen natürlich von "den beiden", wie er das Ehepaar Wick-Ruhs respektvoll nennt. "Wenn die beiden uns nicht so großartig unterstützen würden, könnten wir den Laden nicht halten", meint er. Dennoch sind die Lebensmittelsammlungen, die sie zu Weihnachten (auf dem Foto unten die Sammlung letzten Montag in der Markthalle - mit Anke Krönig und Nicole Pauli) und Ostern organisieren, oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein. "Wichtig wäre uns, regelmäßig Ware zu bekommen."




Rund hundert freiwillige Mitarbeiter hat Hettel, es geht hier zu wie in einem mittelständischen Betrieb. Zwischen zwölf und 84 Jahren sind die Ehrenamtlichen, alle möglichen Berufsgruppen sind hier vertreten, vom ehemaligen Bankdirektor bis hin zu Betroffenen, die inzwischen ebenfalls ehrenamtlich zupacken. "Und wir haben dreizehn Nationen hier", erklärt Hettel weiter, bevor er sich schelmisch zu mir vorbeugt und mir zuraunt: "13 Nationen - plus einen Schwaben."

Ganz stolz ist Hettel, dass er als einziger Tafelladen bundesweit sogar eine Einzelhandelskauffrau ausgebildet hat. Leider wird sie wohl die einzige bleiben, denn die Ausbildung ist teuer, 38 000 Euro fallen in den drei Lehrjahren an, und dafür gibt es leider keinen Sponsor.

Weitere helfende Hände kann der Tafelladen übrigens immer gebrauchen. Auf zweieinhalb Stunden würde sich der Arbeitseinsatz erstrecken, entweder vor- oder nachmittags. An drei Tagen, Montag, Mittwoch und Freitag (außer in der Weihnachtswoche), ist der Tafelladen nachmittags für die Bedürftigen in Betrieb.

Um 14 Uhr werden in der Regel die Türen geöffnet, meistens stehen aber schon eine Stunde vorher 50 oder 60 Bedürftige Schlange. "Dann verteile ich Nummern", sagt Hettel, denn alle auf einmal können den kleinen Laden nicht stürmen. Das Kontingent dessen, was - in der Regel für zehn bis zwanzig Prozent des Ladenpreises - gekauft werden kann, ist ohnehin begrenzt und richtet sich nach dem oft sehr knappen Angebot.





Hettel macht ein unglückliches Gesicht. "Wir haben hier in Baden-Baden viel mehr Bedürftige als in anderen Orten in der Umgebung, aber alle Läden bekommen ungefähr gleich viel Ware." Das bedeute für Kunden in Baden-Baden per se eine Ungerechtigkeit.

Eine Frage liegt mir dazu gleich auf der Zunge: Was passiert denn nun mit den Asylbewerbern, die seit neuestem in stetem Zustrom in die Stadt ziehen? Dürfen sie auch Lebensmittel im Tafelladen kaufen? Bekommen sie auch einen Berechtigungsschein? In einer hilflosen Geste hebt Hettel die Hände. "Ich weiß nicht, wie das gehen soll. Wir haben ja jetzt schon zu wenig." Und den Langzeitarbeitslosen gehe es richtig, richtig schlecht.

Nur Backwaren gibt es ausreichend. Überschuss soll deshalb demnächst regelmäßig am Ende eines Verkaufstages direkt in die Flüchtlingsunterkunft in der westlichen Industriestraße gebracht werden.





Freiwillige Helfer und Spender sind jederzeit herzlich willkommen.

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