Freitag, 24. Juli 2015

Europäischer Hof (1)


Europäischer Hof:
"Alles muss raus“


Von der gediegenen Atmosphäre eines Sternehotels ist nicht mehr viel zu spüren, wenn man dieser Tage den Europäischen Hof betritt.




In der Einfahrt parken keine Nobelkarossen, sondern Kleinlaster und Schuttcontainer.




Seit einer Woche nämlich wird kräftig ausgeräumt, und danach haben erst mal keine vornehmen Ober, Hausdamen oder Concierges mehr das Sagen, sondern Architekten, Statiker und Bauarbeiter. Für sage und schreibe 57 Millionen Euro will der neue Besitzer, eine von dem Schweizer Rechtsanwalt Martin Buchli geführte Immobiliengesellschaft, das Gründungshaus der Steigerberger Hotelgruppe wieder zu neuem Glanz führen: Unter Leitung des Baden-Badener Architekten Peter Kruse und in Zusammenarbeit mit dem preisgekrönten Star-Designer Matteo Thun soll der Europäische Hof komplett saniert werden und 2017 als fünf-Sterne-Haus wieder eröffnen. 


 

Jetzt aber liegt dicker Staub auf dem gemusterten Teppichboden, eine Messebaufirma sortiert die Materialien, die verschrottet oder abgegeben werden sollen, ausgediente Badewannen türmen sich den Schuttcontainern... 




zahllose Zimmertüren stehen zum Abtransport bereit, in einem der komplett leeren Hotelzimmer stapeln sich nun Kopfkissen... 




im Flur stehen gut erhaltene Ohrensessel, reihen sich ausgediente Röhrenfernseher aneinander, es gibt ein Stuhllager, eine Ansammlung von Bildern und Lampen...











Heute noch bis 18 Uhr und Montag ab 8 Uhr können sich auch Privatleute im Hotel umsehen und sich Möbelstücke aussuchen, die sie gebrauchen können. Allerdings werden die Gegenstände nicht verschenkt, man sollte also nicht einfach wortlos reingehen und sich nehmen, was man sieht, bittet Levan Lechleitner, der Resident Manager. Dieses Verhalten am Anfang der Ausräumaktion habe ihn ein wenig schockiert, gesteht er.




Auch den Vorwurf, der im Internet kursiert, er würde willkürlich Preise festsetzen und das Geld in die eigene Tasche stecken, entkräftet er. „Wo soll ich das Geld denn sonst hintun“, ruft er. Natürlich versuche er, für die Gegenstände Geld zu sammeln. Denn schließlich werde alles, was hier zusammenkommt, ganz offiziell und ordentlich Kirchen und gemeinnützigen Organisationen als Spende übergeben. 



 
Diese gemeinnützigen Organisationen haben sich bereits in den letzten Tagen kräftig bedienen können und freuen sich: Als ich auftauche, decken sich die Asylbewerberheime gerade mit Bettwäsche ein, und Pfarrer Michael Teipel von der katholischen Kirchengemeinde finde ich staubbedeckt in der ehemaligen Hotelküche.




Er packt zusammen mit einige Asylbewerbern kräftig mit an, hat sich für das neu zu bauende Gemeindehaus St. Bernhard große Teile des Hotelgeschirrs sichern können und ebenso alles, was er an Kücheneinrichtung benötigt. Darüber freut er sich sehr: „Das sind hochwertige Edelstahlteile. Dass wir uns die nehmen dürfen, verschafft uns für den geplanten Neubau finanziell viel Luft“, erklärt er und strahlt. Mehr gibt es dazu nicht sagen, denn schon wird sein handwerkliches Geschick wieder gefragt...