Dienstag, 11. Juli 2017

Theater - Känguru

Das schwule Känguru sorgt für Wirbel

- und begeisterte Zuschauerreaktionen


Bundesweit hat das Theater Baden-Baden in den letzten Wochen mit seinem Kinderstück „Ein Känguru wie du“ für Wirbel und hitzige Diskussionen gesorgt. Warum? Immer weniger Schulklassen buchten das Stück im TIK, so dass man es schließlich nach sieben statt der geplanten 15 Vorstellungen absetzen musste. Warum war das Stück ein Flop? Das Theater stand zunächst vor einem Rätsel. Es gab keinen offenen Protest, keine Dmemonstrationen, die Ablehung erfolgte lautlos, schleichend. Erst als man gezielt nachfragte, warum die Kinder ausblieben, hörte man, dass es offenbar in der Elternschaft Vorbehalte gegen das Stück gab, vermutlich weil die Hauptperson ein schwules Känguru war.

Abgesetzt, weil es um das Thema Schwule und Lesben ging? In einer Zeit, in der gerade erst die Ehe für alle beschlossen worden war? Verwundert rieb man sich die Augen, nicht nur in Baden-Baden, und schnell war die Empörung da.

Es wurde hin und her diskutiert. Weil aber nicht alle, die sich da aufregten, das Stück vor seiner Absetzung gesehen hatten (es war ja schließlich hauptsächlich vormittags für Schulklassen gelaufen), entschloss sich das Theater zu einer szenischen Lesung mit anschließender Diskussion. 

 
Intendantin Nicola May erläuterte die HIntergründe zur Absetzung des Stücks
 
Angesicht ders Wirbels war die Resonanz allerdings verhalten. Gerade mal halb voll war das Parkett im Theater. Und wie sich später herausstellte, waren eher die Befürworter und offenen Neugierigen in der Mehrzahl. Diejenigen, die den Wirbel mit ihrer stillen Ablehnung ausgelöst hatten, schienen nicht vertreten zu sein. Wer aber gekommen waren, genoss das Stück mit sichtlichem Vergnügen und belohnte die großartigen Schauspieler mit begeistertem Applaus.

Warum das Stück solch ein Flop geworden war, blieb allerdings auch in der anschließenden lebhaften Diskussion weiterhin nebulös. Angst der Eltern, dass ihre Söhne durch das Stück schwul werden könnten? Sorge, dass (in einem preisgekrönten Kinderstück ab acht Jahren?) tierische Sexspiele auf der Bühne zu sehen sein könnten? Das Lachen blieb einem angesichts derlei Mutmaßungen im Halse stecken. Auch die Überlegung, die Lehrer könnten abgeblockt haben, weil sie sich nicht einer Diskussion um Schwule und Lesben aussetzen wollten, erwies sich als haltlos, denn das Theater hatte ja das Stück stets theaterpädagogisch mit Workshops und Nachgespräche in den Schulen begleitet.

In ihrer Einführung betonte Intendantin Nicola May, dass Stückeschreiber Ulrich Hub (Jahrgang 1963) keineswegs ein sexuelles Aufklärungsstück geschrieben habe, sondern dass es ihm in seinen Werken immer um Themen gehe, die die Gesellschaft und Kinder bewegen. Im vorliegenden Fall waren dies Freundschaft, Toleranz, Liebe und Kampf gegen Vorurteile. „Er ist ein ernsthafter Mensch, er will mit seinem Stück etwas erreichen.“ In einem Wettbewerb gewann das Werk den Kinderjurypreis, in Köln läuft es seit drei Jahren mit großem Erfolg. 
 
Auch in Baden-Baden habe man mit großer Freude an dem Stück gearbeitet, man habe das Känguru auch einigen Eltern und Lehrern gezeigt, die es positiv aufnahmen - „aber es lief nicht so richtig“. Nachfragen ergaben dann zum einen, dass sich nicht jeder Lehrer mit Thema Schwulsein stellen wollte und Eltern ihre Kinder noch nicht mal in die Schule ließen, wenn das Stück dort nur besprochen wurde. Auch an der Theaterkasse wurden Vorbehalte geäußert, wenn die Anrufer erfuhren, um was es in dem Stück ging.

Anders als im großen Haus, in dem jeden Abend ein anderes Stück gezeigt werden kann und man somit auch relativ flexibel auf Zuschauervorlieben reagieren kann, ist man im TIK sehr begrenzt. Wenn das Bühnenbild dort einmal steht, dann kann es für die veranschlagte Zeit der Aufführungen nicht einfach geändert werden. Und das bedeutet: Wenn ein Stück nicht besucht wird, dann ist die ganze Spielstätte lahmgelegt. Das habe man sich nicht mehr leisten können und wollen und das Stück daher für die nächste Saison abgesetzt – und damit eine bundesweite Diskussion losgetreten. „Wir standen in der Süddeutschen direkt unter einem Artikel über Donald Trump“, amüsierte sich Nicola May, die im übrigen nicht den Eindruck hatte, es handele sich bei der Ablehnung des Themas um eine rein Baden-Badener Haltung.

Aber sie wolle sich auch nicht entmutigen lassen, sagte sie.
Die Reaktion des Publikums auf die mitreißende szenische Lesung (Darsteller: Nadine Kettler als Dompteur, Sebastian Brummer als kluger Panther Lucky, Sonja Dengler als quirliges Känguru Django und Patrick Schadenberg als pummeliger Tiger Pascha) zeigte jedenfalls deutlich, dass das letzte Wort zu diesem Stück noch nicht gesprochen sein sollte. Gibt es noch einmal eine Lesung? Oder eine Familienaufführung? Oder eine Sondervorstellung für die Lehrerschaft? Vorschläge gab es genug, und die Intendantin zeigte sich nicht abgeneigt, darüber nachzudenken. Allerdings: „Wir brauchen auch ein Signal der Schulen, dass sie dann auch wirklich kommen.“

Zum Inhalt (übernommen aus dem Programm des Theaters => KLICK  )

EIN KÄNGURU WIE DU

von Ulrich Hub

Nicht verheiratet, nicht verlobt, aber auch nicht Single? Da stimmt was nicht. Pascha und Lucky fällt’s wie Schuppen von den Augen: Ihr Dompteur ist schwul. Deswegen die glitzernden Kostüme und das üppige Parfüm! Was Schwulsein bedeutet, ist den beiden jungen Raubkatzen zwar nicht so ganz klar, klar aber ist, dass das überhaupt nicht geht. Deshalb verlassen sie
den Dompteur kurz vor einer großen Zirkusshow, ihre mühsam einstudierte Nummer fanden sie immer schon ein bisschen läppisch. Als sie dem boxenden Känguru Django begegnen, wissen sie sofort: Das ist ein Siegertyp. Bis sich herausstellt, dass Django schwul ist.

Jeder soll leben und lieben, wie er will. Alle würden das sagen, aber meinen es auch alle ernst? Spielerisch zeigt Ulrich Hub in EIN KÄNGURU WIE DU, wie die beiden Raubkatzen Pascha und Lucky sich in ihren eigenen Vorurteilen immer wieder verheddern: Bis sie am Ende doch mit ihrer Nummer in der Manege stehen – zusammen mit dem Dompteur und Django! –, erleben sie so manche Überraschung.